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Bilder aus der Schattenwelt sind Abbilder meiner Seele. Ich hoffe, sie gefallen euch ein wenig. Mit der linken Maustaste könnt ihr die Bilder vergrössern.

Donnerstag, 31. Oktober 2013

Das Bildnis des Herrn B. oder Herr B. und das Bild.

Herr B. Saß in seinem Büro und betrachtete äußerst unkonzentriert den Monitor seines Rechners, auf welchem die aktuelle Quartalsabrechnung zu sehen war. Auf dem Schreibtisch stand eine halbvolle Tasse mit erkaltetem Kaffee. Das E – Mail Programm meldete mit einem Piepsen 7 neue Nachrichten. Auf der dicht befahrenen Strasse vor dem rot bemalten Jugendstilgebäude fuhren jetzt verstärkt Autos vorbei. 15:30- es ging vehement auf den Feierabendverkehr zu. Herr B. musste noch eine halbe Stunde in seinem Büro verbringen, dann durfte er endlich nach Hause.

Er war heute voller Vorfreude, da er dort ein Paket erwartete. Diese Erwartung wurde durch das Überprüfen seiner Mails noch einmal bestärkt, da ihm der postalische Erhalt des Bildes für heute zugesichert wurde.
Herr B. War nämlich vor sieben Tagen auf die Homepage einer ihm bislang unbekannten Künstlerin gestoßen, welche ihn sofort in ihren Bann gezogen hatte. Er erinnerte sich nur zu gut an diesen Abend. Eigentlich wollte er im Internet nur kurz nach dem Wetter für den kommenden Tag sehen. Falls es regnet, wollte er nicht ohne seine Regenjacke aus dem Haus gehen. Plötzlich war aber dann die Seite mit diesen Ölpastellfarben auf dem Monitor zu sehen. Herr B. dachte damals, da er aus Versehen auf einen Werbebanner geklickt hätte. Eigentlich unwahrscheinlich, den Herr B. Ist ein vorsichtiger Mensch und lockende Werbung im Netz machte ihm Angst. Er wollte nicht, das jemand anders seinen Rechner ausspäht.
Beim Anblick der Bilder waren aber seine sonstigen Bedenken mit einem Male in das Reich der Unwichtigkeiten gerückt. Die dort zu sehenden Gesichter und Pflanzen zogen ihn immer stärker in ihren Bann. Einige Male hatte er den Eindruck, als ob sie aus seinem Monitor heraustreten. Herr B. Hatte sich zuvor noch nie ein Kunstwerk gekauft. Die Wände seiner 3 Zimmerwohnung besaßen keinen Wandschmuck. Bei dem Bild Sündenabgrund drückte er auf den Bestellknopf. Warum, wusste er am nächsten morgen auch nicht mehr. Gleichwohl konnte er es kaum mehr erwarten, dieses endlich in seinen Händen zu halten.

Dies war vor 7 Tagen. Seither konnte sich Herr B. Kaum mehr auf seine Arbeit konzentrieren. Immer wieder musste er an seine Bestellung denken. Dies war natürlich auch seinem Vorgesetzten nicht entgangen, welcher Herr B. zu mehr Sorgfalt mahnte. Zweimal enthielten seine Berechnungen in den letzten Tagen Fehler. Herr B. War dies sehr unangenehm, da er seine Arbeit ansonsten mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerkes ausführte. Aber das Bild ging ihm nicht aus dem Kopf – die dort zu sehenden tanzenden Gesichter schienen förmlich auf ihn zu warten.

Die Uhr der gegenüberliegenden Kirche schlug 16:00 Uhr und Herr B. Durfte endlich seinen Computer herunterfahren. Er schwitzte etwas, obwohl der an der Wand hängende Kalender bereits Ende Oktober anzeigte. Herr B. zog sich dennoch seinen Mantel an, da der Onlinewetterdienst für den Spätnachmittag gerade einmal 7 Grad über Null prognostizierte.
Er verließ sein Büro, verabschiedete sich mit dem üblichen „Einen schönen Feierabend, die Dame“ von der Sekretärin seiner Arbeitsgruppe und machte sich daran, das Haus durch die massive Eichenholztüre zu verlassen.

Obwohl draußen ein eisiger Wind durch die Straße pfiff, war es Herr B. Immer noch viel zu warm. Er wischte sich mit einem blau – weißen Taschentuch die reichlich vorhandenen Schweißperlen von seiner Stirn. Nur gedämpft nahm er die vorbeifahrenden Autos wahr. Er hielt sich wie immer auf dem Bürgersteig ganz rechts.
Ein Pärchen mit einem Bassett kam ihm entgegegen. Der Hund hatte blutunterlaufene Augen und lief gemächlich. Seine menschlichen Begleiter lachten und rauchten selbstgedrehte Zigaretten. Sie begutachteten Herr B. Kurz. Dann liefen sie mit leicht beschleunigtem Schritt weiter. Herr B. Glaubte bemerkt zu haben, das sich die beiden etwas zuflüstern. Sicher war er sich hier aber nicht.
Herr B. Hoffte, das seine Nachbarin das Paket mit dem Bild entgegengenommen hat. Es später noch bei der Post abholen zu müssen, würde noch einmal eine Stunde in Anspruch nehmen. So lange konnte er nicht mehr warten.
Ein Polizeiauto fuhr vorbei. Die Kirchturmuhr zeigte sieben nach vier. Das Herz von Herr B. Schlug unregelmäßig. Es begann, leicht zu nieseln. Die vorbeifahrenden Polizisten sahen für einen Augenblick hinüber zu Herr B. Ihr Gesicht war freundlich. Sie lachten.
Über was ? Herr B. Konnte sich diesbezüglich keinen Reim machen. Das Bild wartete auf ihn. Nur hierauf kam es an. Ob die Polizisten dies wussten ? Das Nieseln war in einen leichten Regen übergegangen. Wer konnte, bemühte sich, schnellstmöglich nach Hause zu kommen.
Alle Passanten liefen schnell an Herr B. vorbei. Die Fußgängerzone war deutlich weniger belebt als an einem sonnigen Tag. Alle Straßenrestaurants waren leer. Selbst die Bauarbeiter bei der neu hochgezogenen Shopping Mall waren bereits im Feierabend. Herr B. hatte den Bahnhof fast erreicht. Eine Station mit dem Nahverkehrszug, dann war er endlich zu Hause. Ein Betrunkener pinkelte vor den Bahnhof.

Zuhause wurde Herr B. Bereits von seiner Nachbarin im Treppenhaus erwartet. Sein Schwitzen war nicht besser geworden. Es roch nach Putzmittel. Die Frau älteren Alters hielt ein Paket in ihren Händen. Neben ihr stand ein roter Eimer. Herr B. war etwas schwindelig. Er wollte schnell an sein Paket. Die Frau erinnerte ihn daran, das er nächste Woche mit der Kehrwoche dran ist.
Sie händigte ihm danach seine Post aus. Er schritt schnellen Schrittes die Treppe hinauf und öffnete seine Wohnungstüre. Die Luft war etwas abgestanden, da er die letzten Tage das Lüften etwas vernachlässigt hatte. Herr B. lebte alleine. Seine Frau hatte sich bereits vor sieben Jahren von ihm getrennt. Die Ehe war kinderlos geblieben.
Herr B. schaltete seinen Computer an und startete den Browser. Er verspürte das Gefühl, urinieren zu müssen. Auf der Toilette war der Spiegel derart beschlagen, das Herr B. sein Spiegelbild kaum erkennen konnte. Seine schwarze Buntfaltenhose war an der Unterseite vom Regen etwas nass geworden. Vereinzelt wies sie Schlammspritzer auf. Der Reißverschluss seines Hosenladens klemmte etwas und ließ sich nur mit Mühe öffnen.
Herr B. hielt seinen Penis in der linken Hand und versuchte , in die Mitte der Toilette zu zielen. Der Urin ließ auf sich warten. Er schwitzte immer noch. Dann ergoss sich ein fast rostfarbener Strahl in den Abwasserkanal der Stadt. Die Quelle schien fast kein Ende mehr zu nehmen und Herr B. glaubte förmlich auszulaufen. Fast so, als ob sich seine Blase auf kommende Ereignisse vorbereiten müsse. Seine Hände zitterten etwas und einige Spritzer des nicht gelben Saftes landeten auf der Toilettenbrille. Er strich sich über seine Halbglatze.
Herr B. verließ die Toilette und setzte sich an den Rechner, welcher in seinem Wohnzimmer stand. Das noch nicht ausgepackte Paket lag auf dem purpurroten Sofa. Das Inventar bildete an den weiß gestrichenen Wänden Schatten.
Auf dem Bildschirm waren tanzende Gesichter in Öl - Pastel zu sehen. Sie schienen Herr B. an etwas erinnern zu wollen. Kein Geräusch war zu hören. Irgend wo in diesem Land wurde gerade ein Mensch umgebracht. Seine Abrechnung für das letzte Quartal enthielt Fehler. Herr B. wollte keine Fehler machen. Er ging in die Küche und holte eine Schere. Die Farben auf seinem Monitor verdichteten sich und gewannen an Plastizität. Die Schere war scharf geschliffen. Mit ihr ließ sich das Paket mühelos öffnen. Fast wie der Körper einer Katze. Herr B. erschrak kurz etwas, den er hatte noch nie in seinem Leben mit einer Schere einer Katze den Körper geöffnet. 



Das Bild war nicht besonders groß. Bestenfalls A3. Es befand sich keine Rechnung in dem Paket. Herr B. hatte die Bestellung mit einem Online Bezahldienst beglichen und machte sich hierüber daher keine weiteren Gedanken.
Er nahm das Bild in die Hand und strich vorsichtig über das Papier. Dieses fühlte sich warm an. Die Farben erinnerten ihn an seine über vierzig Jahre zurückliegende Kindheit. Seine Schweißausbrüche waren etwas abgeklungen. Die Gesichter beobachteten ihn. Zwei an der Zahl. Sie glichen denen auf dem Monitor. Das Orginal eines Abbildes. Die anderen Fratzen hielten sich im Hintergrund. Sie waren zu sechst.
Die Farbgebung schien sich je nach Betrachtungswinkel zu verändern. Das wussten die Fratzen ebenfalls. Herr B. war sich sicher, das sie sich etwas zuflüstern. Das eine Gesicht schien der Sache noch etwas kritisch gegenüberzustehen. Das andere frohlockte bereits. Herr B. konnte seinen Blick von dem Bild nicht abwenden.
Inzwischen war es 19.00 Uhr geworden. Herr B. verspürte keinen Hunger. Seine Nahrung war das Bild. Der Monitor seines Rechners begann leicht zu flackern. Über diesem muss es angebracht werden. Hierzu brauchte er durchsichtigen Tesa, welchen er vorsorglich bereits gestern gekauft hatte. Er entnahm vier Streifen und befestigte die tanzenden Gesichter an der ansonsten kahlen Wand. Diese schien hierauf nur gewartet zu haben, da sie das Bild begierig aufnahm. Sie wehrte sich nicht.
Die Schere lag auf dem Tisch. Sie war nicht rostig. Ihr Griff glich einem Kopf. Das Paket hatte sie gut geöffnet. Besser, als er die letzten Tage die Quartalszahlen ausgewertet hatte.
Das Bild auf dem Monitor gewann an Kontrast. Die Farben leuchteten. Vor dem Fenster lachten lärmende Kinder. Eine Woche hat sieben Tage. Samstags ist Tag Nr.6. Der Eimer in der Metzgerei ist voll mit warmem Schweineblut. Der Griff der Schere nicht. Die Sonne war blutrot. Aus den Boxen des Computers tönt keine Musik. Der Putzeimer seiner Nachbarin lag ausgespült in deren Bad. Am siebenten Tage sollst du ruhen. Sechs Gesichter waren auf dem Bild zu sehen. Sie frohlockten. In der Tesa Packung fehlen vier Streifen. Irgendwo onaniert ein Pfarrer vor seinen Ministranten. Die Verpackung des Paketes hatte ihren Dienst getan und war nutzlos geworden. Die Wand hatte das Bild komplett in sich aufgenommen. Der Geselle trank jeden Tag einen Becher Schweineblut. Nur Sonntags nicht – an diesem Tag hat er frei. Ein Ministrant wird in 42 Jahren Bankdirektor sein.
Herr B. fühlte sich eins mit seiner Umwelt. Rot ist die Farbe der Liebe. Die Augen des Bassetts glühten. Auf die Schere war Verlass. Wandbild war Umwelt, Welt war Bild. Die 7 ist in der 42 6 mal enthalten. Das Sperma des Pfarrers enthielt Blut. Das wusste dieser aber nicht. Kein Gesicht konnte dem Bild entweichen. Ausweglos. Wer will, der kann. Ein Ministrant nicht, den er wird an seinem 17.Geburtstag an seinem Erbrochenen ersticken. Die Schere wird dann immer noch ihren Dienst tun. Gottes Wege sind unergründlich. Das Bild an der Wand erstrahlt über mein Heim.
Herr B. war sich nicht mehr sicher, ob er tatsächlich Format A3 gewählt hatte. Die Wirklichkeit ist immer größer als ihr Abbild. Schere und Bild gehören zusammen. Das Schweineblut schmeckt leicht salzig. Die Wand hatte aufgehört, sich zur Wehr zu setzen. Niemand lachte, eine Fratze feixte.
Die heraushängenden Gedärme der toten Katze waren voller Maden. Alles verschwindet wieder in seiner Umwelt. Meistens hatte der Pfarrer während der heiligen Messe eine Erektion. Der Apfelbaum bietet für eine Weile genügend Nahrung.Herr B. ahnte dies. Seine Wurzeln reichen bis tief in die Erde. Auch Maden brauchen Nahrung. Schere, Wand und Bild sind eins. Welt ist Umwelt.
Eine Fratze lacht über ihn. Letzten Sonntag war der Pfarrer während des Orgelspieles zum Höhepunkt gekommen. Niemand bemerkte etwas. Herr B. hatte zu dieser Zeit noch geschlafen. Sie alle befinden sich in einer Welt ohne Ausweg. Sechs Gesichter machen noch kein Bild. Die Maden wären ohne die Katze woanders. Trotzdem ist sie ohne Schuld. A3 wird zu A2.Rot ist eine Signalfarbe. Die Schere ist scharf. Blut ist rot. Feixende Fratzen feiern. Noch sind wir sechs. Die tote Katze hat keine Schmerzen mehr. Herr B. will nicht mehr wehleidig sein. Die Erektion des Pfarrers kündigt sich meistens nicht an. Schweineblut stärkt den Organismus. Ein anderer Ministrant genießt es, Tiere leiden zu sehen. Toleranz bedeutet ertragen – die Schere verlangt Beachtung. Sie ist scharf geschliffen und zerschneidet auch Haut. Schere, Stein, Papier. Der Brunnen verschlingt alles.
Der Monitor ist ausgegangen und der Rechner fährt herunter. Machtvolle Schere, die du bist. Unseren Platz gib uns heute. Zufriedene Gesichter sind auf vielen Bildern zu sehen. Blut ist Blut – egal, ob von Schwein oder Mensch. Daheim ist daheim – eine Sendung aus dem Regionalfernsehen.
A1 ist grösser als A2. Edward mit den Scherenhänden. Alles ist rot. Leblose Hülle in einer leeren Welt. Wo ist die Welt ? Schere durchdringt Eingeweide mühelos. Sieben ist mehr als sechs. Mir bleibt keine Wahl. Der Apfelbaum frohlockt. Was bleibt auch anderes übrig. Die Welt ist nicht grösser als A3. Die glorreiche Sieben. Sie ritten in die blutrote Abendsonne. Wer will, der kann – die scharfe Schere kann alles durchtrennen. Kunst kommt vorrangig von müssen; Können ist nur Grundvoraussetzung, mehr nicht. Gibt es ein Leben nach dem Tode ? Ein anderer Ministrant studiert Theologie. Der Baum der Erkenntnis bleibt Herr B. nicht versagt.

Blutflecken lassen sich aus einem Teppichboden nur schwer wieder entfernen. Der Entrümpler fluchte, den ansonsten wäre der Perser sicher 500 Euro wert gewesen. Er war nur froh, das andere die Sauerei zuvor bereits wieder etwas in Ordnung gebracht hatten. Na, zumindest Computer und Monitor waren problemlos noch zu Geld zu machen. 150 Euro sind hier sicher noch herauszuschlagen. Immerhin etwas. Und das Ölpastellbild über dem Rechner ? Der Entrümpler betrachtete es etwas genauer.
Na – besonders groß ist es ja nicht. Ungefähr A3. Sieben tanzende Fratzen waren hier in einer blutroten Landschaft zu sehen. Schon ein Hinschauer, das Ding. Der Entrümpler entfernte es von der Wand. Er hatte den Vormieter nur zweimal auf einem Foto gesehen, aber das eine Gesicht glich diesem etwas. Na – bei so Typen weiß man ja nie so genau – man sieht ja, wo so etwas endet.
Er beschloss, das Bild im Internet zu verkaufen. Die sieben Fratzen waren schließlich gut gemalt und hierfür findet sich immer ein Käufer....

Tja, was ist nun mit dem guten Herr B. ? Ist er einfach nur über seiner ganzen Rechnerei verrückt geworden und hat sich seines tristen Daseins befreit ? Oder doch kein Selbstmord und das Bild hat ihn tatsächlich in sich aufgesogen ? Wie viele Köpfe waren es nun ? Wir werden es wohl nie erfahren. Text stammt von sammelkerl und kann auch auf seinem Blog : dukatenesel.blogspot.de bewundert werden.